Perger - Gemeindezeitung 4/2023

23 PERGER GEMEINDEZEITUNG 04/23 I www.perg.at Wer mit aufmerksamen Augen durch Perg geht, wird immer wieder auf Mühlsteine stoßen, die an die große Zeit der Perger Mühlsteine erinnern. Waren doch in Perg die mit Abstand bedeutendsten Mühlsteinbrüche der Monarchie gelegen. Entstanden sind diese am Ufer eines Tertiärmeeres vor Millionen von Jahren. Aber nur in Perg und in Wallsee ist dieser kristalline Quarzsand an wenigen Stellen so hart verfestigt, dass daraus Mühlsteine gewonnen werden können. Man hat schon sehr früh die Brauchbarkeit dieses groben und harten Sandsteines für die Herstellung von Mühlsteinen erkannt. Die erste Erwähnung der „Perger Mühlsteinbrecher“ verdanken wir der Handwerksordnung der Wallseer Mühlsteinbrecher vom 3.12.1520. Darin heißt es unter anderem: Es soll kein Meister Perger Mühlsteine nach Wallsee bringen, noch hier lagern, damit der Steinbruch hier nicht geschädigt noch verärgert wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Perger schon damals harte Konkurrenten waren, dass man den eigenen Kollegen eine „Wettbewerbsklausel“ auferlegen musste. Für die Perger schlug die große Stunde am 30.11.1582: die Mühlsteinbrecher erhielten von Kaiser Rudolf II eine Bestätigung ihrer Zunftordnung und ein für sie sehr wichtigen Privileg: Wenn in der Zukunft ein für Mühlsteine geeignetes Steinvorkommen im Land ob der Enns gefunden wird, so ist die Ausbeutung desselben den Söhnen und Schwiegersöhnen der Meister, die unserer Zunft angehören, vorbehalten. Daraus können wir schließen, dass die Perger Mühlsteinbrecher von überregionaler Bedeutung gewesen sein mussten, dass die kaiserliche Kanzlei dieses Vorrecht eingeräumt hat. Der älteste Mühlsteinbruch ist der „Kerngraben“, der heute wieder besucht werden kann. Der Schererbruch, der größte Mühlsteinbruch, wurde um die Mitte des 17. Jahrhunderts eröffnet und kann im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Daneben sind heute noch fünf weitere Mühlsteinbrüche bekannt. In den Dokumenten tauchen immer wieder die gleichen Namen auf wie z.B. Burgholzer, Fries, Greisinger, Hofer, Peischl, Schachner, Puchberger, Schartlmüller, Schweiger. Diese Familien waren eine verschworene Gemeinschaft, die eifersüchtig darauf achteten, dass sie unter sich blieben, um sich die Konkurrenz vom Leib halten. Im Jahr 1750 sind in Perg 34 Mühlsteinbrecher nachgewiesen und der Markt umfasste 153 Häuser mit ungefähr 900 Einwohnern. Für jeden Meister haben Gesellen, Lehrlinge, Tagelöhner und vor allem Familienmitglieder gearbeitet. Daraus kann man schließen, dass bis zu 200 Personen in den Steinbrüchen tätig waren. Diese Zahl allein belegt, dass die Mühlsteinbrecher unter den 7 Zünften des Marktes die erste Stellung einnahmen. Die Perger verkauften ihre Mühlsteine ab Steinbruch für die Müller der Umgebung und sehr bald schon überregional. Längs der Donau bestanden zwischen Linz und Fischamend 10 Lagerstätten, wie z.B. in Linz, Melk, Spitz, Krems, Stockerau, Tulln, Wien. Eine „Beschreibung des Mühlsteinbruches nächst dem Markte Perg“ aus 1834, gibt uns konkrete Angaben zum Geschäftsumfang des Gewerbes. So heißt es, dass pro Jahr 1.200 bis 1.300 Mühlsteine vorgefertigt und in Oberösterreich, Unterösterreich, Steiermark, Ungarn, Böhmen, Mähren und in Bayern verkauft wurden. In einer anderen Beschreibung der Perger Mühlsteinbrüche wird erwähnt, dass bis zu 2.000 Mühlsteine pro Jahr ausgeliefert wurden. Der langsame Niedergang der Mühlsteinindustrie zeichnete sich ab den 1830er Jahren ab. Drei Ursachen waren dafür maßgeblich: 1. Die Erweiterung des europäischen Wirtschaftsraumes machte es möglich, die qualitativ viel besseren französischen Mühlsteine zu beziehen. 2. Ab den 1860er Jahren werden auch „künstliche“ Mühlsteine gegossen und drängen in den Markt. 3. Und vor allem die Erfindung des Walzenstuhles, eine völlig neue Technologie, die die Müllerei revolutionierte, leitete das Verschwinden der vielen Mühlsteinbrüche ein. In dieser turbulenten Zeit haben sich vier der verbliebenen Mühlsteinbrecher-Meister, Sebastien und Michael Fries, Theresia Burgholzer und Georg Trauner, entschlossen, ihre Geschäfte in einem gemeinsamen Unternehmen zu bündeln und gründeten vor 151 Jahren die Firma Fries, Burgholzer & Co, die heute noch als„Capatect“ sehr lebendig ist. Es ist das einzige der vielen Mühlsteinproduzenten in Österreich-Ungarn, das, in einem neuen Geschäftszweig, nach wie vor erfolgreich tätig ist. Harald Marschner Obmann Mühlsteinmuseum Steinbrecherhaus Die Perger Mühlsteinbrecher GESCHICHTE

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